Hinter den Kulissen
In unserer heutigen Welt ist es ganz einfach ein Künstler zu sein.
Farben und Materialen gibt es in Hülle und Fülle, man braucht nur zugreifen und schon kann man sein Innerstes ganz einfach auf der Leinwand preisgeben - oder etwa nicht?
Das ist seit fast 200 Jahren so, als die ersten Wasserfarbkästen entwickelt wurden. Zuvor mußte man sich das Handwerk eines Künstlers mühsam aneignen. Man war gezwungen die Kunst der Malerei zu erlernen - bei einem Künstler in Lehre zu gehen.
Ich hatte das Glück in der Meisterklasse für Malerei und Grafik an der Kunstuniversität in Linz dieses Handwerk richtig zu erlernen. Wir hatten Vorlesungen über Technologie, Farbenlehre, Naturstudium, Aktzeichnen und viele mehr.
Wir lernten, wie man Ölfarbe aus Pigmenten und Öl auf einer Glasplatte mit einem Steinmörser anrührt und sie danach einsumpft, um sie länger brauchbar zu machen. Ich lernte alte Techniken wie Eitempera aus Eiern, Dammarharz, Mastixfirnis und Leinöl als Malmittel für Pigmente anzuwenden. Dies war nur ein kleiner Teil, der uns gelehrt wurde. Für diese Ausbildung bin ich sehr dankbar.
Bei mir sieht der Arbeitsprozess folgendermaßen aus:
Bevor man zu malen beginnen kann, muss erst ein Maluntergrund hergestellt werden.
Keilrahmen aus Holz werden im rechten Winkel zusammengeschlagen, danach wird ein Malgrund, meist verwende ich dafür Reinleinen, aufgespannt. In der Zwischenzeit setzt man einen organischen Leim an, der über Nacht zu quillen beginnt. Am nächsten Morgen gehört dieser dann erwärmt und mit dem Pinsel auf das Leinen aufgetragen. Verwendet man dabei zu viel, sodass das Leinen durchtränkt wird, ist der Malgrund anschließend unbrauchbar.
Ein Hauch von Leimwasser wird also auf die Leinwand gestrichen. Dann muss sie trocknen.
Währenddessen bereite ich die Grundierung vor.
Pigmente, wie Champagnerkreide und Zinkweiß werden mit etwas Leinwasser zu einem Gemisch zusammengerührt.
Mit viel Fingerspitzengefühl rührt man tröpfchenweise Leinöl dazu, damit es eine Emulsion entsteht und sich Öl und Wasser verbinden. Ich verwende dafür einen Mixer - früher wurde das mit einem Holzstab gemacht, was die Rührzeit natürlich um ein Vielfaches erhöht.
Die tropfenweise Zuführung von Leinöl kann schon eine Stunde in Anspruch nehmen.
Viel Geduld ist dazu nötig - was nicht unbedingt meine Stärke ist ...
Zum Schluss verdünnt man die Emulsion mit Leinwasser bis zur Streichfähigkeit und los geht es.
Nun werden die Leinwände grundiert, natürlich mit ganz viel Liebe und Hingabe. Denn wer schon einmal auf einer selbstgrundierten Leinwand den Pinsel geschwungen hat, weiß was ich meine. Alles schwingt.
Da die Grundierung sehr dünn ist und das Leinen einen guten Untergrund braucht, muß die Grundierung mindestens drei mal erfolgen, jeweils mit einer gewissen Trockenheitsphase. Grundiert man zu schnell, bekommt der Grund feine Risse, was ich auf alle Fälle verhindern will.
Mittlerweile ist bereits fast eine Woche vergangen und ich habe noch gar nichts gemalt. :-)
Trotzdem ist diese handwerkliche Arbeit für mich immer sehr wichtig. Sie verbindet malerische Phasen, die wegen ihrer unterschiedlichen Art oft Pausen brauchen, miteinander. Durch das tägliche handwerkliche Arbeiten komme ich wieder in einen Prozess der Neufindung und des Neubeginns. Und ich fühle mich glücklich, wenn ich wieder genug Formate habe, um aus dem Vollen schöpfen zu können.
Zufrieden stelle ich die Leinwände der Größe nach im Atelier auf und freue mich auf die Stunden des Malens.
Obwohl die Herstellung der selbstgrundierten Leinwände immer ein enormer Aufwand ist, den der Kunde/die Kundin gar nicht sieht, ist es doch ein unbeschreibliches Gefühl, wenn der Pinsel an der selbstgemachten Leinwand kratzt.
Meine Familie liebt dieses Geräusch - das klingt für sie nach ZUHAUSE.